EIN STÜCK – EIN KONZERT
Neue Musik im Sendesaal Bremen – Immer sonntags 19:00 Uhr
KONZERT III – 30. August 2020
Hans Werner Henze (1926 – 2012): El Cimarrón (1970) für Bariton, Flöte, Schlagwerk und Gitarre
Robert Koller – Bariton
Isabelle Raphaelis – Flöte
Johannes Lang – Gitarre
Hsin Lee – Schlagzeug
Karten unter: www.sendesaal-bremen.de
Video-Livestream: www.youtube.com/EnsembleNewBabylon
Konzert IV am 08.11.2020: Jennifer Walshe (*1974) & Brian Irvine (*1965): 13 Vices (2015, Deutsche Erstaufführung) für Streichtrio, Improvisateur*innen, Stimme und Dirigent*in
„El Cimarrón“ handelt von dem auf Kuba entlaufenen Sklaven Estéban Montejo. Er wurde 1860 geboren und gab im Alter von 104 Jahren dem kubanischen Ethnologen und Schriftsteller Miguel Barnet ein umfangreiches Interview über sein Leben, u. a. vom Kampf gegen die Spanier, vom Eindringen der US-Amerikaner in das Land, von der Sklaverei und der Sklavenbefreiung, von der Einsamkeit. Hans Werner Henze lernte den 108-jährigen Esteban Montejo 1969 noch persönlich kennen.
„El Cimarrón“ gehört zu den bedeutendsten und gelungensten Exempeln für eine politisch engagierte Musik und schildert in eindringlicher Sprache die Zustände von Unterdrückung, Aufbegehren und Flucht. Dazu trägt zunächst der Inhalt des Werks bei. Es berichtet von den Erinnerungen des entlaufenen kubanischen Sklaven Esteban Montejo, die Miguel Barnet nach den Tonbandaufnahmen, auf denen Montejo seine Geschichte erzählt, niedergeschrieben hat. Auf der Basis dieses Buches formulierte Hans Magnus Enzensberger das Libretto für Hans Werner Henzes Komposition. Esteban Montejo wurde 1860 geboren, flieht aus der Sklaverei, schließt sich der Rebellion an, die sich für ihn aber nicht als Lebensverbesserung erweist. Er steht der neuen Freiheit kritisch gegenüber und kehrt aufs Land zu den Zuckerrohrfeldern zurück. Diese Geschichte wird vom Bariton rezitiert und gesungen. In ihr offenbart sich eine Dialektik von Unterdrückung und Freiheit, die Henze auch in die musikalische Struktur einbettet. Es gibt Elemente wie zum Beispiel Kettenrasseln, die die Erzählung des Sängers markant unterstreichen. Daneben stehen höchst artifiziell komponierte Musikpassagen für die ungewöhnliche Instrumentenkombination Flöte, Schlagzeug und Gitarre, die aber beinah genauso eingängig wirken und ebenso unmittelbar verstehbar scheinen wie die plakativ tonmalerischen Effekte. Denn Henze verzichtet im „Cimarrón“ auf einen lyrischen, expressiven Ton. Er setzt auf klangliche Schroffheit, auf eine gewisse Deutlichkeit des Tons. Darüber hinaus bietet die aleatorische Anlage der Komposition den Musikern große Gestaltungsfreiheit. Elemente von Improvisation tragen dazu bei, dass Henze der Gefahr entgeht, den komplexen politischen Gehalt des Stücks zu romantisieren oder gar zu verkitschen, im Gegenteil: Inhalt und Musik verschmelzen zu einer sich gegenseitig kommentierenden Einheit.
Die Aboreihe „Ein Stück – ein Konzert“ wird gefördert von:
– Musikfonds e.V. mit Projektmitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien
– Ernst von Siemens Musikstiftung
– Senator für Kultur Bremen
– klangpol – Netzwerk Neue Musik Nordwest
– Waldemar Koch Stiftung
– Sparkasse Bremen